Es war ein Sonntag im Juni, thermisch sah es gut aus für den Tag. Gegen zehn Uhr morgens wurde langsam die Halle ausgeräumt, die Flieger startklar gemacht und ich schnappte mir den Windenschlüssel und holte die Winde aus der Halle. Platzierte sie auf der 13 und verbrachte den Vormittag auf der Winde.

Irgendwann rief mich Jonas, unser Ausbildungsleiter, über die Telefonleitung an und meinte, Gerhard würde mich jetzt dann ablösen und ich soll mit dem nächsten Seilpaar an den Start kommen. Immerhin bin ich ja noch Schüler und sollte auch mal wieder fliegen und nicht nur ständig auf der Winde sitzen. Ich machte mich fertig, setzte mich in die ASK 21 und Jonas stieg hinter mir ein. Markus half uns einklinken und die Fläche halten. Dann ging es nach oben. Ausklinken und in die Platzrunde einkurven. Jonas wollte von mir wissen, ob ich auch schon mal eine Seilrissübung auf die östliche Seite des Platzes gemacht hatte. Nein, das nicht. Gut, dann machen wir das eben mal schnell. Eine simulierte Seilrissübung. Er steuerte die ASK 21 über die Startbahn, nahm Fahrt auf und zog die Schnauze, wie beim Windenstart, steil nach oben. Ich drückte nach, nahm Fahrt auf und steuerte zurück auf die Landebahn, wir landeten entgegen der Startrichtung und kamen so wieder am Startplatz an ohne abgeholt werden zu müssen.

Wir starteten noch einmal zusammen, ich flog eine normale Platzrunde, an der Position melden, in den Gegenanflug gehen, Queranflug, Endanflug, über den Wald und in Landerichtung 3 1 aufsetzen. Wir wurden abgeholt und die ASK kam zurück an den Startplatz. Jonas meinte, ich kann ja wieder auf die Winde gehen und Gerhard ablösen, da er nachher noch als Fluglehrer auf unserem UL schulen muss und Gerhard als Fluglehrer für die ASK gebraucht wird. Klar mache ich das. Ich fuhr mit dem Audi wieder zur Winde, schleppte weiter und wurde nicht einmal stutzig, dass ich Jonas immer noch im Funk auf der ASK hörte. An diesem Tag waren auch einige Schnupperer da und irgendwann hieß es am Telefon wieder, ich solle mit dem nächsten Seilpaar abermals an den Start kommen, denn Gerhard will jetzt dann mal mit mir fliegen.

Karl löste mich an der Winde ab und meinte noch zu mir, „na wie sieht es bei dir mal mit Alleinfliegen aus?“ Ach, weißt du, ich fühle mich noch ganz wohl, wenn jemand mitfliegt, war mein Kommentar. Der erste Start mit Gerhard war nur eine kurze Platzrunde, weil ich versehentlich in die falsche Richtung abgeflogen bin und auf dieser Seite überhaupt keine Thermik stand. Nach dem zweiten Start drehte ich dann rechts ab, nach Gerhards Anweisung und schwupp, waren wir in der Thermik. Es war fast wie Fahrstuhlfahren, zeitweise ging es mit 3 m/s nach oben. Eine Stunde blieben wir oben und ich musste Thermikfliegen. Wenn ich mal neben der Thermik herumflog, bekam ich Anweisungen von hinten, was ich falsch mache, und ich solle die ASK aufrichten, kurz warten und jetzt rein und drinnen bleiben. Wir schafften es auf 1200 MSL, flogen über die Dörfer und ab und an ließ ich mich wieder aus der Thermik heraus treiben.

Irgendwann meinte Gerhard dann, „jetzt gehen wir wieder runter“ und mein erster Gedanke war, oh, Mist, jetzt mag Gerhard nicht mehr, weil ich so oft aus der Thermik geflogen bin, und wohl auch zu dumm dazu bin. Schätzungsweise sagt er mir jetzt dann gleich am Boden, ich soll es lassen, ich bin völlig talentfrei. Ich bildete mir jedenfalls ein, dass sich Gerhard ziemlich genervt angehört hat. Gelandet, an den Start zurück ziehen lassen und gerade in dem Moment wo ich meine Gewichte wieder aus der ASK schrauben wollte, kam Jonas um die Kurve und meinte: „Nein, lass die mal schön drinnen, ich schraube dir jetzt noch ein paar Gewichte dazu!“

Wie bitte? Wieso das denn? Na, weil du jetzt dann alleine fliegst. Oh nein, Hilfe, echt? Ich konnte es im ersten Moment gar nicht glauben. Hatte wirklich mit allem gerechnet, aber mit Sicherheit nicht damit. Wir schraubten die zweiten Gewichte in die ASK, Jonas sicherte die Gurte auf dem hinteren Platz, schloss die Haube und ich machte mich vorne fertig. Plötzlich saß ich alleine im Flieger. Jonas klinkte ein, ging an die Fläche und ich ging meinen Startcheck automatisch durch. Wo stand der Windsack, woher kommt der Wind, was habe ich zu tun bei einem Seilriss? Mein Puls schoss nach oben.  Das Seil zog sich straf und die ASK nahm Fahrt auf, hob vom Boden ab und ging in den Steigflug. Im gesamten Startvorgang waren beide, Jonas und Gerhard, mental gefühlt noch hinter mir und sagten mir, was ich zu tun hatte. Oben angekommen, das Seil zog sich aus der Kupplung, ich klinkte dreimal nach und bog dann in die Platzrunde ab.

Das erste, was ich danach dachte, oh mein Gott, wie schön ist das denn, jetzt bin ich ein Pilot. Vorher war ich ja nur Schüler, der sich nie sicher war, fliege ich oder der Lehrer. Ich flog zurück zur Position, fand dort sogar gleich einen Aufwind und kreiste mich ein. Jonas funkte zu mir rauf, ich kann auch gerne ein bisschen oben bleiben. Das musste er mir nicht zweimal sagen, also blieb ich in der Thermik und stieg nach oben. Von Tuntenhausen kommend sah ich unsere K8 und auch diese kreiste sich unter mir ein. Wir blieben eine Zeitlang in diesem Bart und kurbelten. Die K8 stieg allerdings schneller und ich wollte Toni nicht behindern, so flog ich irgendwann ab und bereitete den Landeanflug vor. Auch hier waren Jonas und Gerhard wieder „live“ hinter mir. An der Position melden, in den Gegenanflug gehen, auf den Kirchenturm von Tuntenhausen zu steuern, auf Höhe des Baches unter mir in den Queranflug, Blickpunkt auf den Landeplatz, in Verlängerung unserer Halle in den Endanflug eindrehen, Bremsklappen ziehen, über den Wald fliegen und Fahrt halten. Einen festen Aufsetzpunkt im Visier und landen. Abfangbogen nicht vergessen, abfangen und aufsetzen, ausrollen und während dem ausrollen musste ich feststellen, dass ich meine Landeklappen leider nicht ganz gesetzt hatte. So rollte ich doch etwas flott dahin und kam dann erst auf einer etwas holprigen Wiese in Höhe der Halle zum stehen. Das Landefeld war irgendwie einige Meter hinter mir. Ups…

Gerhard kam mit dem Traktor an und meinte staubtrocken: „Willst schon aufhören für heute?“ Natürlich nicht. Die ASK wieder zurück an den Start und ich machte noch meine beiden anderen Alleinflüge. Vor dem zweiten Start erklärte mir Jonas, dass ich vorher etwas zu schnell in den Steigflug gegangen bin und die Sicherheitsmindesthöhe nicht eingehalten hatte. Ich war das allerdings nicht absichtlich, sonder bedingt durch mein eigenes geringes Körpergewicht scheint die ASK so schnell, so steil wegzusteigen. Jonas stellte mir die Trimmung weiter vor, vielleicht würde es dann besser gehen. Auch beim zweiten Start stiegen wir ziemlich schnell steil weg. Beim dritten Start hatten wir es dann heraus, was ich zu tun hatte, um die Sicherheitsmindesthöhe einhalten zu können. Ich musste einfach nur den Knüppel nach vorne drücken, so dass ich, bis ich die 100 Meter Sicherheitshöhe erreicht hatte, dem Seil eher hinterher flog als im Steigflug zu sein. Und dann, Knüppel voll ziehen und nach oben.

Erst als ich nach dem dritten Alleinflug meine Gewichte wieder aus der ASK schraubte, wurde es mir richtig bewusst, dass ich jetzt die ganze Zeit alleine geflogen bin. Jonas und Gerhard und auch meine anderen Fliegerkameraden gratulierten mir und am Abend bekam ich von Florian einen Strauß Brennessel in die Hand gedrückt, musste mich über den Discus beugen und mein Hintern wurde Thermikgeeicht. Ein Erlebnis das ich mit Sicherheit so schnell, wenn überhaupt, nie mehr vergessen werde. Der erste Alleinflug.

An dieser Stelle möchte ich mich bei all unseren Fluglehrern für ihre Mühen und Ausdauer, die sie mit mir bewiesen haben, bedanken. Über die ganze Zeit unserer Ausbildung hinweg, und natürlich auch heute noch, stehen sie uns Schülern kompetent, hilfsbereit und freundlich zur Seite. Sind auch zu Späßen aufgelegt und üben mit uns das Fliegen solange, bis es zu 150% sitzt und klappt. Also eins möchte ich an dieser Stelle auch noch sagen, wer bei uns zum Alleinflug zugelassen wird, der kann Starten und Landen mit absoluter Sicherheit. Und auch bei meinen anderen Fliegerkameraden möchte ich mich bedanken für ihre Mithilfe, ohne Euch wäre ich nicht dahin gekommen.

Eure Martina