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Bilder September 2014 - Alleinflug Carsten Vogel

 

September 2014 - Bericht von Carsten Vogel zu seinem ersten Alleinflug

Vorwort
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Hektisch schaue ich auf die Uhr. Entscheidung: Ich fahre mit dem Auto.
Die Arbeitswoche hat mich geschafft und für's Fahrrad bin ich zu spät.
Ich horche in mich hinein, ob ich flugtauglich bin. Ich bin. Los geht es.
Das Wetter sieht mäßig vielversprechend aus. Die Wettervorhersage hat wie so oft von Schauern, Abschirmung und keiner bis mäßig nutzbaren Thermik gesprochen. Doch das alles ist egal, Platzrundenwetter - für Flugschüler perfekt. Ohne die leiseste Vorahnung, später über diesen Tag schreiben zu müssen, rekapituliere ich meine Ausbildung auf der Fahrt zum Platz. Knapp über 40 Starts, fast 9 Stunden in der Luft, vor gut 6 Wochen mit der Ausbildung angefangen.

Ich habe - entgegen meiner eigentlichen Art - nicht viel Schnick-Schnack dabei. Keine GoPro, keinen Gaskocher, keine Thermokannen voller Lande-Tee, keine umfangreiche Bibliothek. Eine Flasche Apfelschorle, der "Kassera" ("Flug ohne Motor"), 1 Ersatz-Satz Klamotten mit langer Hose, Sonnenhut und -brille, die nötigen Unterlagen (Medical, Flugbuch, Ausbildungsnachweis, Luftsportkarte) begleiten mich.

Am Platz angekommen überraschen mich bereits ausgeräumte Flugzeuge und erstaunlich viele Autos. Zwar bin ich nicht erster, aber nach und nach trudeln noch mehr und mehr Schüler und Scheininhaber ein.
Der Fluglehrer vom Dienst, an diesem Tag Rolf Bredtmann, erscheint und die Vorbereitungen gehen in die letzte Phase. Ich stelle mich auf eine lange Wartezeit am Tisch des Startwagens ein.

Doch dann heißt es auf einmal: Los geht's! Der Flugschüler vor mir hat seine Flüge absolviert und nun bin ich dran, fliege mit Rolf. Ich starte, fliege westlich an Antersberg vorbei auf die Position für die 31 und beginne Höhe abzukreisen. Die Landung gelingt. Ich bin ein wenig stolz und fühle mich ein wenig sicherer.
Zweiter Start. Ich ziehe sanft am Stick, Geschwindigkeit gut, ein Blick zur Fläche, der Winkel passt. Blick zurück auf die Höhe, die weiter steigt und wieder zum Geschwindigkeitsmesser. *PENG* - Was war das? Rolf hat doch wohl nicht? Doch bereits während dieser Gedanken presse ich den Knüppel nach vorne und flehe den Geschwindigkeitsmesser an, im grünen Ring zu verbleiben. Was kam dann? Während ich die gelbe Kugel fasse und dreimal ziehe, schaue ich mir das Bild der Landebahn an: zu kurz.
Entscheidung: Umkehrkurve. Noch zeitiger als eine Platzrunde ohne Thermik, schneller und flacher setze ich wieder zur Landung an. Auch wenn das Zusammenspiel von Schweben, Bremsklappen und Knüppelzug noch nicht perfekt ist, bin ich selbst davon überrascht, wie sanft so ein Vogel aufsetzen kann. Im Auswertungsgespräch erfahre ich dann, dass es zirka 100m-120m AGL waren in der nicht das Seil gerissen ist, sondern der Fluglehrer an der Ausklinkleine gerissen hat.

Der dritte Flug endet nach einer Kurve mit hoher Geschwindigkeit "aus ungewohnter Position" ebenfalls sanft und kontrolliert auf unserer Piste.

Ich vertreibe mir die Zeit mit Seilholen, Starthilfen, Flugzeuge zurückziehen.

Als ich wieder an der Reihe bin, staune ich nicht schlecht, als ein anderer Fluglehrer an der ASK-21 steht. Natürlich hätte man spätestens jetzt sicher sein können, da sei "etwas im Busch" - stattdessen habe ich mich nur darauf konzentriert, dem Fluglehrer mitzuteilen, welche Entscheidungen ich treffe und was ich als nächstes tun werde. Auch hier gab es nach der Landung einige Verbesserungsvorschläge, so dass ich insgesamt stolz bin, schon etwas "auf dem Kasten" zu haben.

Überraschung
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Und dann der Schock. Ich stehe bereit neben der D-4512 und warte auf Rolf, der entspannt lächelnd vom Startwagen auf mich zukommt. Doch statt einzusteigen, nimmt er den Fallschirm aus dem hinteren Sitz und sagt in seiner unverkennbaren Art: So, und das Ganze jetzt mal alleine.

Mein Puls rast - das muss ein Scherz gewesen sein. Ich warte, Sekunden vergehen. Nein, kein Scherz. Ich soll fliegen. Allein. Scherzhaft überlege ich, dass wenn ich schnell genug zittere, die Steuereingaben insgesamt wohl ein ausgeglichenes Bild ergeben müssten. Genau das machen, was heute schon so gut geklappt hat. Nagut. Wenn er meint.
Dreimal atme ich bewusst, und steige ein.

Ich bete wie sonst die Startvorbereitung herunter, achte bei jedem Punkt aber besonders sorgfältig auf Unregelmäßigkeiten. Dann geht es los.
Ungewohnt schnell geht es in die Luft. Und höher. Ich komme auf 400m AGL. Trotz der Aufregung beim Start ist das Ausklinken ein besonderer Moment.

...und dann Freiheit!
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*KLACK* - keine Verbindung mehr zur Erde, ich schwebe, ich bin frei.
Doch lange kann ich diesen Gedanken vorerst nicht genießen:
Geschwindigkeit - check, trimme auf 90, Kurs auf welchen Kirchturm? Wo ist die Position? Auf einmal habe ich das Gefühl der Luftraum ist voller Flugzeuge - zwei Augen sehen weniger als vier. Das FLARM beruhigt, trotzdem schaue ich länger nach draußen als sonst. Ich drehe nach Süden halte auf Tuntenhausen zu.
Ich beruhige mich und genieße die Aussicht, das Vertrauen, das Selbstvertrauen. Alles sieht gut aus - nur ein ungewohntes Geräusch gibt mir zu denken. Später am Boden sehe ich, dass sich das hintere Fenster ein wenig verkeilt hat, so das in dem schmalen Spalt ein Pfeifen enstand. Ich empfinde Freiheit, grenzenlose Freiheit und Angst, in dem Bewusstsein, dass ich Fehler nun alleine erkennen und beheben muss. Ich schaue oft zum Platz und verfolge viel genauer als sonst Starts und
Landungen: die Uniform-November und die Sierra-Whiskey. Ich halte Ausschau nach den platznahen Orientierungspunkten, aber auch nach den Radarkugeln im Süden. Vertraut wirkt der Alpenkamm im Süden, mit dem leicht zu findenden Inntal-Einschnitt und dem Wendelstein.

Der Höhenmesser meldet nach einigen Kurven Fürsorge an. Ein leichtes Klopfen mit dem Fingernagel bestätigt dies. Position, Meldung, eindrehen, Bremsklappen für den Winkel, Nase für die Geschwindigkeit.
Abfangen. Ausrollen und möglichst nicht genau auf der Landebahn stehenbleiben. Sanft setze ich auf und rolle und rolle. Aufsetzpunkt, Rollstrecke und Rollziel werde ich wohl noch etwas üben müssen, denke ich mir. Egal. Sanft kippt die Fläche aufs Gras. Ich sitze festgezurrt im Flugzeug, das steht. "Raus" denke ich, drehe den Gurtverschluss, klappe die Kanzel hoch und springe raus ins Freie. Wie war ich? Was war gut? Was war schlecht? Egal, denke ich mir - das werde ich später sowieso noch hören. Alles war sanft und ohne großen Schläge, weder das Flugzeug noch ich können groß beschädigt sein. Aus der Ferne höre und sehe ich den Bulldog. Daniel begrüßt mich mit einem Daumen nach oben.
Das gefällt mir. Geschafft. Stolz laufe ich neben "meinem" Flieger zum Start. Any landing you can walk away from is a good one.

Tagesabschluss
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Die zweite Landung (technisch könnte man sagen die zweite, dritte und
vierte) erfolgte im sanften Wellenstil - Nachbesprechung, Korrektur. Die dritte war wieder deutlich konsequenter. Der Flieger soll gleich zur Halle gebracht werden. Aufgrund von aufkommendem Regen wird etwas früher abgebaut. Das Aufräumen, Abwischen und Abledern, das Abrüsten und Einräumen geht so an mir vorbei, dass ich immer wieder Sorge habe, mich zu wenig einzubringen. Ich spendiere Getränke und lasse mir den Po weichklopfen. Ich bekomme einen schönen Strauss "aus Bordmitteln"
überreicht. Nicht gelangweilt, sondern stolz trage ich mein Flugbuch nach und komme zu der Stelle, an der ich das erste Mal ohne Begleiter geflogen bin. Der Regen hat sein Gutes, denn im Osten tauchen auf einmal zwei große Regenbögen auf. Welch freudiges Zeichen vom Himmel. Heute war ein guter Tag!